21 Jun 2024

Konzertante Opern

Richard Strauss · Ambroise Thomas

Capriccio · Hamlet

Mit konzertanten Aufführungen von Richard Strauss’ Capriccio eröffnen die Salzburger Festspiele ihr diesjähriges Opernprogramm. Wie kaum eine zweite reflektiert die 1942 in München uraufgeführte Oper die eigene Gattung, kreist sie doch um ein Problem, das so alt ist wie das Musiktheater selbst: das Verhältnis von Wort und Ton, von Dichtung und Musik. Im Setting eines französischen Schlosses um 1775 verquickt Capriccio die ästhetische Debatte über die Vorzüge der jeweiligen Kunst mit der Liebesrivalität des Dichters Olivier und des Musikers Flamand, die beide um die junge, verwitwete Gräfin Madeleine werben.

Die Idee zu Capriccio geht auf Stefan Zweig zurück, und schon während der Arbeit am Text war Strauss sich des ungewöhnlichen Charakters des neuen Werks bewusst: Dem Dirigenten Clemens Krauss, der Joseph Gregor als Mitautor des Librettos ablöste, teilte er mit, er wolle „so etwas ganz Ausgefallenes, eine dramaturgische Abhandlung […], eine theatralische Fuge“ schreiben. Die künstliche, wehmütig verklärte Rokoko-Welt, in die das feingliedrige Konversationsstück eingebettet ist, erinnert wohl nicht von ungefähr an das Salzburger Schloss Leopoldskron, dessen Innenräume der Festspielmitbegründer Max Reinhardt im neobarocken Stil neu gestaltet hatte. Zur Entstehungszeit des Werks war das Schloss bereits von den Nationalsozialisten arisiert worden. Auch der Figur des Theaterdirektors und Regisseurs La Roche verlieh Strauss bald mehr, bald weniger eindeutig Züge des ins amerikanische Exil getriebenen Theatermanns Reinhardt. Die musikalische Leitung von Capriccio – vom Komponisten selbst als Summe und Schlusspunkt seines Opernschaffens betrachtet – liegt in den Händen des Strauss-Spezialisten Christian Thielemann. Ihm steht ein erlesenes Sängerensemble zur Seite, angeführt von Elsa Dreisig, die in Salzburg zuletzt als Giulietta in Bellinis I Capuleti e i Montecchi beeindruckte. (26. u. 31. Juli, 4. August)

Als weitere konzertante Oper steht die Shakespeare-Vertonung Hamlet des französischen Komponisten Ambroise Thomas auf dem Spielplan. Thomas vollendete das Werk bereits 1863, doch bis zur Uraufführung an der Pariser Opéra sollten noch fünf Jahre vergehen. Lag der Grund für diese Verzögerung darin, dass der Komponist – wie die Presse damals berichtete – keine ihm zusagende Sängerin für die Rolle der Ophélie fand, bis er 1867 der jungen schwedischen Sopranistin Christine Nilsson begegnete? Mit ihren 24 Jahren und einer Stimme von kristalliner Klarheit verkörperte sie das romantische Bild der femme fragile in idealtypischer Weise. Die Entscheidung, den großen Sänger-Darsteller Jean-Baptiste Faure für die vielschichtige, zwischen Grübelei und Tatkraft changierende Titelrolle zu verpflichten, brachte es mit sich, dass Thomas die ursprüngliche Tenorpartie für Bariton umschrieb. Die anspruchsvollen Hauptrollen verlangen also nach einer Sängerin und einem Sänger von herausragenden vokalen und interpretatorischen Fähigkeiten. Mit dem Bariton Stéphane Degout, der sich vor allem im französischen und italienischen Fach einen Namen gemacht hat, und der brillanten Koloratursopranistin Lisette Oropesa erwartet Sie eine Idealbesetzung auf der Bühne der Felsenreitschule. (16. u. 19. August)