Ouverture Spirituelle · Sacrificium | Salzburger Festspiele 2022
Unsagbare, schmerzliche oder überwundene, erhabene und freudige Opfer ziehen sich durch ein Programm voller Brücken, Anspielungen und Facetten, das von der Renaissance bis zur Gegenwart reicht.
Selbstverständlich entfaltet sich auch im kommenden Festspielsommer wieder ein ganzes Kaleidoskop an Stilen, Repertoires und Gattungen in Konzerten mit den Wiener Philharmonikern, mit den wichtigsten Orchestern, Ensembles und Chören sowie Solistinnen und Solisten aus aller Welt – eingebettet in die Gesamtdramaturgie des diesjährigen Festspiels, die nichts weniger als den Kosmos der Göttlichen Komödie durchschreitet und den opferreichen Weg beschreibt, für die Idee der Freiheit und Menschlichkeit einzustehen, für die Würde des Einzelnen.
„Most of our societies have been built on sacrifice“ – auch dieses Zitat der französischen Kulturtheoretikerin Luce Irigaray ist aktueller denn je. Und es steht als Idee über dem Programm der diesjährigen Ouverture spirituelle, die wir 2022 mit dem Titel „Sacrificium“ überschrieben haben. Diesem Begriff sind heute – nach den Gräueln etwa des Holocaust oder des Gulag oder auch jenen, was – die wir gerade bei unseren östlichen Nachbarn miterleben – vielfältige, kaum mehr fassbare Konnotationen eingeschrieben. Und in dieser Ambivalenz changiert auch das Programm der Ouverture spirituelle, das mit Schostakowitschs Symphonie Nr. 13 anhebt, in der einem der schrecklichsten Massaker an Juden ein tönendes Denkmal gesetzt wird. – „Kunst spielt nie in geschichtsfreien Räumen“, sagte kürzlich Wolfgang Rihm. „Sie ist aber dennoch stets mehr als eine Art Resonanzboden der Ereignisse.“
Gerade die Musik kann jedoch ein Gemeinschaftsgefühl erzeugen, kann Empathie wecken, die Identifikation mit den Leidenden, den Opfern. Die Ouverture spirituelle belegt das in einem vielfältigen Programm, das eine illustre Interpretenschar zum Klingen bringt. In biblischen Geschichten reicht der Bogen von der abgewendeten Opferung Isaaks durch Jakob über Hiob bis zur Passion Jesu, in der Reflexion über das irdische Jammertal von der Bombardierung Guernicas über die Unsäglichkeit der Shoah bis zum Völkermord an den Armeniern. Komponisten wie Orlando di Lasso und Gija Kantscheli, Joseph Haydn und Wolfgang Rihm reichen einander über Jahrhunderte hinweg die Hände.
Autor: Walter Weidringer
Mit großzügiger Förderung von Prof. Dr. h.c. mult. Reinhold Würth und der Würth-Gruppe