© Helga Rabl-Stadler (Festspielpräsidentin), Prof. Oliver Rathkolb (Historische Einordnung), Anita Kern (Designhistorische Einordnung), Markus Hinterhäuser (Intendant), Margarethe Lasinger (Dramaturgie Salzburger Festspiele) und Lukas Crepaz (Kaufmännischer Direktor), v.r. Foto: SF/Lukas Pilz
Die Grafikerin Poldi Wojtek schuf 1928 jenen Plakatentwurf, der seither als Logo der Salzburger Festspiele – mit Ausnahme der Zeit des Nationalsozialismus – dient. Anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums beauftragten die Salzburger Festspiele zwei Gutachten mit der Aufarbeitung dieses Kapitels der Festspielgeschichte:
Zeithistorisches Gutachten von Prof. Oliver Rathkolb
Der Historiker Oliver Rathkolb wurde mit einem „Gutachten über die Beziehungen von Leopoldine (Poldi) Wojtek (-Mühlmann) mit Nationalsozialisten 1933 – 1938 – 1945 und etwaige Kontinuitäten ideologischer Einstellungen zum NS-Regime nach 1945“ beauftragt.
„Poldi Wojtek war – frei nach dem Humanisten Ulrich von Hutten – ein ,Mensch in seinem Widerspruch‘. Wir müssen lernen, dass Künstler und Künstlerinnen trotz ihrer außergewöhnlichen Fähigkeiten und ihrer Begabung, Emotionen in uns anzusprechen, letztlich keine perfekten Genies sind. Auch sie sind Menschen mit vielfältigen Schwächen, die sich nur selten gegen politisch Mächtige in einer totalitären Diktatur stellen. Manche von ihnen, wie Poldi Wojtek, haben während des Nationalsozialismus überdies ohne jede Scham persönliche Vorteile aus ihren politischen Beziehungsnetzwerken gezogen – bis hin zur hemmungslosen Bereicherung am Eigentum von Jüdinnen und Juden“, sagt Prof. Oliver Rathkolb.
Designhistorische Einordnung von Dr. Anita Kern
Die Designhistorikerin Anita Kern untersuchte die ästhetische Einordnung des Plakatentwurfs.
„Grafikdesigner haben die Inhalte ihrer Auftraggeber visuell zu kommunizieren. ,Gebrauchs-grafiker‘ gehören einem Berufsstand an, der in einem verbrecherischen Regime schnell in Gewissenskonflikte kommt, wenn er Auftragsarbeiten annimmt. Nicht jede(r) hatte die Kraft zu widerstehen (oder gar politischen Widerstand mit grafischen Mitteln zu leisten). Die Folgen eines solchen Dilemmas für die Qualität der grafischen Erzeugnisse zeigen sich bei mehreren Designern – in Poldi Wojteks Fall hat die Einordnung in ein unmenschliches System auch den grafischen Esprit zunichte gemacht“, resümiert Dr. Anita Kern.
In ihrem Statement schloss die Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler: „Was bedeutet es für die Festspiele, wenn eine Künstlerin, die 1928 ein Plakat entwarf, das sich seither als Logo der Festspiele bewährt hat – nur die Nazis entfernten es von 1938-45 – zwar nicht Mitglied, aber eindeutig Profiteurin des Naziregimes wird? Wenn diese Poldi Wojtek sich dann auch noch schamlos ein arisiertes Haus ihrer im Konzentrationslager umgekommenen Künstlerkollegin Helene von Taussig schenken ließ? Wir sind uns einig geworden, dass wir an diesem Logo festhalten wollen, weil es ein sehr gutes, zeitloses Logo ist. Es spiegelt mitnichten die Symbolik der Nazi-Zeit wider. Im Gegenteil, das Logo wurde im Geiste der international anerkannten Wiener Kunstgewerbeschule geschaffen, Wojteks Lehrer waren Josef Hoffmann und Franz Cizek, die ihr beide eine besondere Begabung attestierten. Aber selbstverständlich werden wir auf unserer Website auf Wojteks fatale Entwicklung zu einer Profiteurin des Nazi-Regimes hinweisen.“
Intendant Markus Hinterhäuser resümiert: „Wir haben uns im Direktorium sehr intensive Gedanken über den Umgang mit dem Logo gemacht. Vergangenheit lässt sich nicht bewältigen, wesentlich ist vielmehr eine offene und aufrichtige Auseinandersetzung mit ihr. Die Ambivalenz und der unappetitliche Opportunismus von Poldi Wojtek sind das eine, im Logo selber von Poldi Wojtek allerdings lässt sich keinerlei Affinität zum Nationalsozialismus oder zu dessen Ästhetik erkennen. Obwohl in den 1920er Jahren entstanden und durchaus der Ästhetik dieser Jahre verpflichtet, ist es ein zeitloses Emblem geblieben.“
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