7 Nov 2024

Salzburger Festspiele Pfingsten 2025

Klänge der Serenissima

Liebe Freundinnen und Freunde!

Nach Rom und Sevilla in vergangenen Jahren setzen wir unsere imaginäre Städtereise im Rahmen der Salzburger Pfingstfestspiele 2025 fort und lassen uns diesmal von den Klängen der Lagunenstadt Venedig verzaubern. Dieser Ort ist das beste Beispiel für ein — zumindest teilweise Realität gewordenes — „Utopia“, wie es Thomas Morus 1516 in seinem gleichnamigen Roman beschreibt. Utopisch die Errichtung von Menschenhand einer steinernen, mit den schönsten Kunstwerken der Welt geschmückten Stadt auf unstetem Wasser, das nie ganz bezwungen werden konnte. Utopisch für frühere Jahrhunderte eine Gesellschaftsordnung, trotz oder gerade wegen derer Venedig zur Weltmacht heranwuchs, utopisch offenbar die Hoffnung auf Erhaltung der originalen Substanz und des stolzen Geistes der Stadt angesichts von Massentourismus, Klimawandel und der politischen Herausforderungen im heutigen Europa.

In seiner einmaligen Mischung aus unbeschreiblicher Pracht und allgegenwärtigem Zerfall bildete Venedig über wechselhafte Epochen den Fluchtpunkt für Menschen unterschiedlichster Kulturen — darunter ein unglaubliches Spektrum an auswärtigen Staatsmännern, Denkern, Philosophen, Schriftstellern, Malern, Musikern und Wissenschaftlern —, die die derart wahrgenommene Morbidität als barockes Memento mori deuteten.

Eine solche real-irreale Stadt als Ort der Musik mit einem Zitat Friedrich Nietzsches zu beschreiben, anstatt zum Beispiel mit den Worten eines italienischen Dichters oder Komponisten, macht deshalb Sinn, weil gerade er den Gedanken im einleitenden Prosatext zum Venedig-Gedicht 1888 auf den Punkt brachte wie kein anderer: „Wenn ich ein anderes Wort für Musik suche, so finde ich immer nur das Wort Venedig.“

Während der Salzburger Pfingstfestspiele 2025 hören Sie Musikaus fünf Jahrhunderten, die in oder für Venedig geschaffen oder aber von Venedig inspiriert wurde. Exemplarisch für das 17. Jahrhundert steht eine Aufführung von Monteverdis Vespro della Beata Vergine. Bei jeder Aufführung wird dieses aus zahlreichen, sehr heterogenen Teilen bestehende Werk im Heute neu geschaffen, weil die Interpretinnen und Interpreten grundsätzliche Entscheidungen hinsichtlich Besetzung und Ausführung treffen müssen. Daher wird auch unser Konzert mit Gianluca Capuano, Les Musiciens du Prince — Monaco auf historischen Instrumenten und mit dem Vokalensemble Il Canto di Orfeo in jeder Beziehung zum einmaligen Erlebnis. Gepaart mit Bruno Mantovanis — kaum drei Monate zuvor, im März 2025, uraufgeführtem — Werk nach Rilkes Gedicht Venezianischer Morgen von 1918 wird diese Spannweite direkt hörbar — oder um es mit Rilke zu sagen: „Reihn / von Spiegelbildern ziehn aus dem Kanale / und sie erinnern an die andern Male“ …

Ein Opernpasticcio, das Barrie Kosky zur Musik Antonio Vivaldis kreiert, führt uns ins 18. Jahrhundert. Bevor sich das Copyright als Rechtsbegriff etabliert hatte, bevor gedruckte Noten für viele zugänglich wurden und bevor Aufnahmegeräte erfunden waren, sah man die Wiederverwendung von Musik bestimmter Komponisten in einem neuen Kontext nicht als strafbares Plagiat an, sondern als Kompliment. Dies war der einzige Weg, sie zu erhalten, da jede Musik nach wenigen Aufführungen für immer von den Spielplänen verschwand, also nicht wieder gehört werden konnte. In dieser Tradition ist unser Projekt als große Hommage an den Opernkomponisten Vivaldi zu verstehen.

Giuseppe Verdi erhielt während seines Lebens vermehrt Kompositionsaufträge aus Venedig, wobei die Einstudierungen mit Schwierigkeiten verbunden und die Vorstellungen bei Weitem nicht von Erfolg gekrönt waren. Auch die Uraufführung von La traviata am Teatro La Fenice im März 1853 endete mit einem Fiasko. Nichtsdestotrotz habe ich diese Oper in konzertanter Form mit fantastischen Solistinnen und Solisten ausgewählt, um die in oder für Venedig entstandene Musik des 19. Jahrhunderts zu vergegenwärtigen.

Ganz besonders freue ich mich dieses Jahr auf eine von Markus Hinterhäuser konzipierte und interpretierte kammermusikalische Matinee mit Wagners Wesendonck-Liedern sowie …..sofferte onde serene… von Luigi Nono, mit der wir daran erinnern, dass Nonos Geburtsstadt Venedig auch im 20. Jahrhundert einige der größten Musiker inspirierte.

50 gemeinsame Jahre verbanden John Neumeier aufs Engste mit dem Hamburg Ballett, das sogar seinen Namen trug. Und sechsmal gastierte die Compagnie in dieser Zeit in Venedig, natürlich im Teatro La Fenice, aber auch auf dem Markusplatz. Ich bin gerührt und geehrt, dass John Neumeier im Rahmen einer groß angelegten Werkschau nach dem Abschluss seiner Intendanz für uns das Ballett Tod in Venedig wiederaufnimmt, als Krönung unserer wunderbaren Partnerschaft. Mit Musik von Bach und Wagner zur gleichnamigen Novelle von Thomas Mann, die durch Luchino Viscontis Film weltweite Bekanntheit erlangte, schlägt Neumeier die für ihn so typischen Brücken zwischen Epochen und Kunstsparten. Gerade im Fall von Venedig scheint mir dies ideal.

Ich weiß nicht, inwieweit bekannt ist, dass die erste von einem Theater produzierte Rossini-Oper, La cambiale di matrimonio, in Venedig das Licht der Welt erblickte: Die Uraufführung fand am 3. November 1810 im Teatro San Moisè statt. Im Teatro La Fenice wiederum kam am 3. Februar 1823 Rossinis letzte für Italien geschriebene Oper, Semiramide, auf die Bühne. Rossini und einem Reigen der schönsten Nummern aus seinen „venezianischen“ Opern — wie La scala di seta, L’italiana in Algeri oder Tancredi — widmen wir ein zweites abwechslungsreiches Pasticcio bei diesen Pfingstfestspielen.

 

Ich freue mich sehr auf ein Wiedersehen mit Ihnen bei den Salzburger Pfingstfestspielen 2025!