Konzertprogramm 2024
Zum Konzert
Seit Jahren ist die Ouverture spirituelle, die zum Teil in dem klangvollen Raum der Kollegienkirche, einem einzigartigen Bau Fischer von Erlachs, stattfindet, ein außergewöhnlicher Auftakt der Salzburger Festspiele. „Et exspecto“ ist die Reihe 2024 überschrieben – eine Referenz auf das christliche Glaubensbekenntnis, die im Wesentlichen die Erwartung des Zukünftigen, die Auferstehung der Toten und das ewige Leben meint. Aber es schwingt darin auch eine Erwartung, eine Hoffnung auf etwas mit, das noch nicht fassbar ist. In diesem Spannungsverhältnis von Hoffnung, ungewisser Erwartung und ersehnter Ewigkeit entfaltet sich der musikalische Bogen von der Renaissance über die Klassik zur Romantik bis zu bedeutsamen Werken unserer Zeit, darunter Dallapiccolas Il prigioniero und Nonos Il canto sospeso.
Von diesen beiden Komponisten lässt sich wiederum eine Brücke zu Arnold Schönberg schlagen, einer der zentralen Gestalten der Musikgeschichte, dessen 150. Geburtstag wir in diesem Jahr begehen. Für Luigi Nono bedeutete Schönbergs Wirken wichtige Impulse für das eigene Schaffen; später verknüpften sie auch familiäre Bande.
Luigi Dallapiccola wiederum gilt als „der erste italienische Komponist überhaupt, der sich Arnold Schönbergs Zwölftontechnik selbstständig aneignete“. In Il prigioniero (1949) verwendete er drei Zwölftonreihen, die er mit den Begriffen „Gebet“, „Hoffnung“ und „Freiheit“ assoziierte, den Grundthemen seiner Kurzoper.
Als Werk, das das Fenster zu Neuem weit aufreißt, darf Gustav Mahlers Neunte Symphonie gelten, entstanden 1909/10 und posthum 1912 uraufgeführt. Sie endet mit einem endlosen Adagio, das einem ebenso endlosen Abschiednehmen Mahlers gleicht: von seinem Leben, von der Form der Symphonie, von einer Epoche, die untergehen wird – und von der Tonalität. Etwa zur selben Zeit schreibt Schönberg sein Zweites Streichquartett, in dessen letztem Satz er die über Jahrhunderte hinweg gültige Dur-Moll-Tonalität aufgibt. Auch diese beiden zentralen Werke sind im Festspielsommer 2024 zu hören: das Schönberg’sche in einem Kammerkonzert in der Serie „Zeit mit Schönberg“; Mahlers Neunte erklingt im Philharmoniker-Konzert unter Andris Nelsons.
Zudem gedenken wir im Zyklus der Wiener Philharmoniker eines weiteren Jahresregenten, nämlich Anton Bruckner, der vor 200 Jahren geboren wurde und mit seinen späten Symphonien ebenfalls als Türöffner zur musikalischen Moderne gilt. Riccardo Muti wird zum ersten Mal überhaupt Bruckners Achte Symphonie dirigieren.
Und wie selbstverständlich sind wieder die interessantesten Pianist·innen der Welt in Salzburg zu Gast, die einfühlsamsten Liederabende ebenso zu erleben wie spannungsreich programmierte Kammermusik und die bemerkenswertesten Solist·innen sowie Klangkörper aus aller Welt.
FlorianWiegand • Leitung Konzert
zuerst erschienen in der Festspielbeilage der Salzburger Nachrichten 2024