5 Jul 2024

Zur Produktion: Der Spieler

Der Spieler von Sergej Prokofjew zählt zu den eher unbekannten Opern des Repertoires. Die Geburtsstunde des Werks fällt in eine faszinierende und turbulente Zeit, und seine Uraufführung wurde immer wieder verschoben.

Peter Sellars, welche Bedeutung hat für Sie als Regisseur die wechselvolle Entstehungsgeschichte dieser Oper?

Prokofjews Lebensgeschichte ist herzzerreißend. Wir erleben einen überaus positiven, liebenswürdigen und großzügigen Menschen in einer Welt voller Widerstände. Prokofjew begann die Arbeit am Spieler im Jahr 1915, kurz vor der Russischen Revolution, im Alter von gerade einmal 24 Jahren. Das Libretto verfasste er selbst, wobei er versuchte, so viel Text wie möglich unmittelbar dem Roman von Dostojewski zu entnehmen.
Das Stück ist mit der Energie einer neuen Generation geladen, die selbstbewusst verkündet: „Wir schaffen eine neue musikalische Sprache für eine neue Welt.“ Diese Energie spiegelt sich auch in der Intensität und explosiven Kraft der Orchestersprache wider. Prokofjew schwebte ein avantgardistisches Theaterereignis vor, das jedoch nie Wirklichkeit werden sollte. Nach Ausbruch der Revolution wurden die Aufführungspläne eingestellt, und Prokofjew ging für einige Zeit in die USA.
1927, zehn Jahre nach der Fertigstellung der ursprünglichen Fassung, überarbeitete er den Spieler in der erneuten Hoffnung auf eine Uraufführung in Sankt Petersburg. Die Partitur ist unfassbar reich an nuancierten und genauestens entworfenen musikalischen Momenten. Der Spieler kombiniert eine jugendliche, flammende Botschaft mit einer über viele Jahre hinweg sorgfältig ausgearbeiteten und handwerklich meisterhaften Faktur. Es gehört zu den Seltsamkeiten seiner Entstehungsgeschichte, dass das Werk schließlich 1929 in französischer Sprache in Brüssel uraufgeführt wurde. Doch Prokofjew war nicht zufrieden damit, zu sehr war doch die Musik auf seine Muttersprache abgestimmt. Die russische Erstaufführung fand schließlich über zwanzig Jahre nach Prokofjews Tod in Moskau statt.

Welche Relevanz hat Der Spieler für uns heute?

Gibt es irgendetwas in unserem heutigen Leben, das nicht einem Glücksspiel gleicht? Alles fühlt sich ungemein dringlich an, und gleichzeitig hat man den Eindruck, dass man nichts davon fassen kann. Der Spieler ist interessanterweise sehr aktuell, sehr lebendig und ganz tief mit dem zentralen Nervensystem unserer Gegenwart verbunden. Wir leben in einer Zeit, in der innerhalb von Sekunden Vermögen gewonnen und verloren werden, in einer Epoche von Milliardären und von Möglichkeiten, Reichtümer anzuhäufen, wie es in der Geschichte bisher unvorstellbar war. Die Oper wurde am Vorabend der Russischen Revolution komponiert, und gleichzeitig trägt sie die Realität des darauffolgenden Zusammenbruchs in sich. Das Stück bewegt sich auf dem Grat zwischen Aufbruch und Kollaps. Es heute auf die Bühne zu bringen, empfinde ich als eine Pflicht und eine Notwendigkeit.

Das Gespräch führte Antonio Cuenca Ruiz.

zuerst erschienen in der Festspielbeilage der Salzburger Nachrichten 2024

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