Die zauberhafte Wirklichkeit des Theaters
Im Herbst 2023 beging die Theaterwelt den 150. Geburtstag und den 80. Todestag von Max Reinhardt. Er wird als der erste moderne Regisseur bezeichnet, als Theatermagier verehrt und als Inbegriff eines Impresarios von internationaler Zugkraft beschrieben, dessen Wirken von Berlin und Wien über Salzburg bis in die Vereinigten Staaten ausstrahlte.
Die Salzburger Festspiele erinnern an den Theaterzauberer und Festspielmitbegründer, indem sie seine letzte Salzburger Arbeit rekonstruieren: die gefeierte Inszenierung von Faust in der Felsenreitschule 1933. Auch weitere Veranstaltungen – ein Symposium sowie eine dreiteilige Ausstellung – fokussierten auf Reinhardts Faust (1933—1937) und damit auch auf die historischen Zäsuren 1933 und 1937/38.
FAUST 2023
Das Ars Electronica Futurelab hilft dabei, Reinhardts Faust-Inszenierung mit einer Virtual-Reality-Anwendung zu neuem Leben zu erwecken: Über eine VR-Brille betreten die Besucher·innen Die zauberhafte Wirklichkeit des Theaters – eine Rekonstruktion der Faust-Stadt in der Felsenreitschule, direkt vor Ort auf der Bühne. Sie nehmen dort einzigartige Positionen ein: Inmitten des Bühnensettings werden sie in einer zehnminütigen virtuellen Interpretation des Stücks durch die von Clemens Holzmeister entworfene Faust-Stadt geleitet. Dabei spielen Licht und Musik eine bedeutende Rolle – wie schon bei Reinhardts Inszenierung unter freiem Himmel vor 90 Jahren. Sie besuchen Fausts Studierzimmer und werden Zeug·innen der Walpurgisnacht ebenso wie des Tanzes unter der Linde.
Die Rekonstruktion der Faust-Stadt erfolgte auf Basis von Plänen, Aufnahmen und anderen Aufzeichnungen aus dem Archiv der Salzburger Festspiele. Zudem wurde vom Bühnenmodell aus dem Theatermuseum in Wien eine Fotogrammetrie angefertigt, die zusammen mit einem 3D-Laserscan der Felsenreitschule die Basis der VR-Rekonstruktion bildet. Eine Vielzahl von Fotos wurde perspektivisch entzerrt und teils mit KI-Unterstützung qualitativ verbessert. Und so kommen die Originalaufnahmen aus dem Festspielarchiv als Texturen auf der manuell erstellten Geometrie zum Einsatz. Auf diesem Weg wurden Detailtreue zum damaligen Bühnenbild und die technischen Einschränkungen von VR-Brillen in Einklang gebracht.
Eingebettet ist das VR-Erlebnis in eine vielperspektivische Führung durch Schauspiel-Studierende der Universität Mozarteum Salzburg: Ben Engelgeer, Victoria Kraft und Joseph Lang. Dabei kommen unterschiedlichste Medien zum Einsatz: erzählte Geschichte, Fotografien, Filmausschnitte, Objekte, Manuskripte und Tondokumente, eine Faust-Musik, dreidimensionale Bühnenelemente bis hin zur beschriebenen virtuellen Simulation. Die Besucher·innen bewegen sich also auf unterschiedlichsten Wahrnehmungsebenen und tauchen am originalen Schauplatz in die VR-Welt ein. Analoge, Bühnen- und virtuelle Realitäten verschränken sich auf wundersame Weise.
„Die Salzburger Festspiele sind ein Festspiel der Künste, dessen Zauber sich im gemeinschaftlichen Erleben im Hier und Jetzt entfaltet. Max Reinhardt beschwor dieses Erlebnis in seinen Inszenierungen und in der Idee zu Festspielen in Salzburg. ,Die Leidenschaft, Theater zu schauen, Theater zu spielen“, schrieb er, ,ist ein Elementartrieb des Menschen. Und dieser Trieb wird Schauspieler und Zuschauer immer wieder zum Spiel zusammenführen und jenes höchste, allein seligmachende Theater schaffen.‘ Anlässlich seines 150. Geburtstags realisieren wir – gemeinsam mit Ars Electronica – ein Projekt, in dem ganz im Sinne Max Reinhardts die Grenzen zwischen Bühne und Publikum aufgehoben werden und die darstellenden Künste – unter Einbeziehung virtueller Welten – mit den digitalen verschmelzen.“ Markus Hinterhäuser · Intendant Salzburger Festspiele
„Für uns eröffnet die Zusammenarbeit mit dem Team der Salzburger Festspiele eine außergewöhnlich gute Gelegenheit, die Möglichkeiten neuer Technologien auszuloten und weiterzuentwickeln. Es geht darum ‚Virtuelle Realität‘ als Gestaltungsmittel zu begreifen und einzusetzen, um einem heutigen Publikum historisch relevante Szenarien näherzubringen. Ich bin sicher, dass die Aura des realen Raumes verbunden mit den Darstellungsmöglichkeiten im virtuellen Raum ein sehr eindrucks- und wirkungsvolles Erlebnis für die Besucher·innen sein wird.“
Gerfried Stocker · Künstlerischer Geschäftsführer Ars Electronica